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Bundesliga: Lars Ricken statt Sebastian Kehl als BVB-Boss – ist das fair?


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Enttäuschung für BVB-Urgestein
Kehls Nicht-Beförderung: Wurde er unfair behandelt?


23.04.2024Lesedauer: 5 Min.
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Sebastian Kehl: Ihm wurde bei Borussia Dortmund eine Beförderung verweigert.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kehl: Ihm wurde bei Borussia Dortmund eine Beförderung verweigert. (Quelle: nordphoto GmbH / Christian Schulze/imago-images-bilder)

Sebastian Kehl wird nicht, wie lange vermutet, der neue starke Mann beim BVB. Die Begründung dafür wirkt zweifelhaft. Wurde er unfair behandelt?

Am Montag verkündete Borussia Dortmund die große Überraschung: Lars Ricken, bisher Chef des Nachwuchsleistungszentrums, wird Nachfolger von Hans-Joachim Watzke als Geschäftsführer Sport und damit neuer starker Mann bei den Schwarz-Gelben.

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Ricken überspringt in der Hierarchie damit Sebastian Kehl. Der Meisterkapitän Kehl arbeitet seit 2018 als Funktionär im Verein, zunächst als Leiter des Lizenzbereichs, seit Sommer 2022 als Sportdirektor. Der Aufstieg zum Geschäftsführer wäre der logische nächste Schritt gewesen. Doch schon vor einigen Wochen wurden Berichte laut, dass in der Vereinsführung Zweifel an Kehl herrschten. So soll auch Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche zunächst eine Alternative für den BVB gewesen sein, bevor er bei der Eintracht verlängerte.

Grund für die Zweifel soll laut eines Berichts der "Bild"-Zeitung vor allem die Skepsis gegenüber der bisherigen Transferpolitik Kehls sein. Bei genauerem Hinsehen scheint diese Begründung aber äußerst diskutabel, denn auch andere Personen im Verein haben bei den Transfers ein großes Wörtchen mitgeredet. Wurde Kehl unfair behandelt?

Der BVB spielt eine enttäuschende Saison

Klar ist: Mit Platz fünf in der Bundesliga steht der BVB sportlich aktuell nicht da, wo er stehen will. In der vergangenen Saison scheiterte der Klub denkbar knapp an der deutschen Meisterschaft, verspielte den Titel am letzten Spieltag. In der neuen Saison sollte es nun aber klappen.

Dabei musste der Klub im Sommer aber einen schweren Schlag verkraften: Mit Jude Bellingham verließ der wohl beste Spieler den Verein Richtung Real Madrid. Immerhin strich die Borussia dafür ein Schmerzensgeld in Höhe von 103 Millionen Euro ein. Dennoch war es für die Kader-Qualität der dritte herbe Dämpfer im dritten Jahr in Folge. Schließlich hatte man 2021 bereits Jadon Sancho an Manchester United und 2022 Erling Haaland an Manchester City verloren.

Dieses Vorgehen passt zwar zur allgemeinen Strategie des BVB, junge Talente zu finden, auszubilden und dann teuer zu verkaufen, dem Ziel einer Deutschen Meisterschaft ist es aber sicherlich nicht zuträglich. Es sei denn, es werden neue Talente gefunden, die kurzfristig einschlagen.

Querelen zwischen Kehl und Terzić

Die Aufgabe für Kehl, einen Kader zusammenzustellen, der erneut um die deutsche Meisterschaft kämpfen kann, war also ohnehin schon groß genug – und dann kamen auch noch die inneren Querelen hinzu. Denn: Wie unter anderem die "Bild"-Zeitung berichtete, sollen sich Kehl und BVB-Trainer Edin Terzić bei Weitem nicht immer grün sein, vor allem beim Thema Transfers.

Ein Beispiel: Kehl wollte im Sommer das defensive Mittelfeld der Borussen verstärken. Dafür hatte er den Mexikaner Edson Álvarez von Ajax Amsterdam ausgemacht. Mit einem Marktwert von 35 Millionen Euro wäre der Transfer eine kostspielige Angelegenheit geworden – zu kostspielig für Terzić, der die Mannschaft lieber auf anderen Positionen verstärken wollte. Im Mittelfeld setzte der Trainer lieber weiter auf Emre Can und Salih Özcan, der schon eine Saison zuvor auf ausdrücklichen Wunsch Terzićs gekommen war. Am Ende setzte er sich damit durch. Obwohl sich Kehl mit Álvarez schon über einen Transfer einig war, platzte der Deal. Álvarez wechselte in Premier League zu West Ham und Terzić machte Can sogar zum Kapitän. Mittlerweile ist klar: mit durchwachsenem Erfolg.

Kehl hatte Watzke gegen sich

Dass Terzić am Ende seinen Willen bekam, lag Berichten zufolge auch daran, dass er die Unterstützung von Klub-Boss Hans-Joachim Watzke hatte. Die beiden pflegen ein freundschaftliches Verhältnis, Watzke stärkte dem Trainer auch in sportlich schwierigen Phasen zuletzt immer wieder öffentlich den Rücken. Und anscheinend auch im Machtkampf mit Kehl.

Der Sommer-Transfer, der in Dortmund wohl die größte Aufmerksamkeit erregte, war der von Felix Nmecha. Der Mittelfeldspieler, als Bellingham-Ersatz gedacht, war wohl ein weiterer ausdrücklicher Wunsch von Trainer Terzić. Vor allem die Ablösesumme verursachte bei vielen Fans und Beobachtern jedoch Stirnrunzeln. Insgesamt rund 30 Millionen Euro überwies der BVB nach Wolfsburg – das Doppelte seines gelisteten Marktwertes.

Zusätzlich wurde der Transfer unter den Fans des Vereins kontrovers diskutiert. Denn Nmecha war durch Posts in den sozialen Medien aufgefallen, die dem streng gläubigen Christen von vielen als homophob und queerfeindlich ausgelegt wurden. Die Meinung der Fans: Ein Transfer widerspreche den Werten des Vereins. Dennoch wurde der Deal eingetütet.

Sportlich bezahlt gemacht hat sich Nmecha derweil noch nicht. Zwar zeigte der einmalige Nationalspieler immer wieder vielversprechende Ansätze, doch war er auch lange verletzt. Auf seiner Position haben Julian Brandt und häufig sogar der alternde Marco Reus die Nase vorn.

Füllkrug wurde zum Erfolg

An einem Strang zogen Terzić und Kehl wohl nur bei der Verpflichtung von Niclas Füllkrug. Der DFB-Stürmer sollte als Absicherung für Sébastien Haller dienen, der sich immer noch von seiner Krebserkrankung zurückkämpfte und im Januar auch noch für den Afrika-Cup abgestellt werden musste. Der Transfer wurde zum Erfolg, Füllkrug lief den Großteil der Saison von Beginn an auf. Nötig wurde die Neuverpflichtung allerdings nur, weil Anthony Modeste – ein Jahr zuvor ebenfalls als Haller-Ersatz verpflichtet – floppte. Er war ein weiterer Terzić-Wunsch. Zudem ging die Füllkrug-Verpflichtung wohl auf Kosten der von Kehl gewünschten weiteren Kaderbreite in der Defensive, die dem BVB speziell in der Hinrunde zu schaffen machte.

Viele von Kehls eigenen Transfers können sich hingegen mittlerweile durchaus sehen lassen: Marcel Sabitzer, im Sommer als günstigere Álvarez-Alternative verpflichtet, mausert sich nach anfänglichen Schwierigkeiten immer mehr zum Leistungsträger und hatte wesentlichen Anteil am Halbfinal-Einzug in der Champions League. Auch die Winterleihe Ian Maatsen vom FC Chelsea und die Rückholaktion von Jadon Sancho (ebenfalls per Leihe) funktionieren gut.

Kehl und sein "Jetzt erst recht"

Lediglich Kehls Transfer von Ramy Bensebaini floppte. Der Linksverteidiger wurde im vergangenen Sommer frühzeitig von Borussia Mönchengladbach geholt. Dadurch ließ sich Kehl aber wohl Alejandro Grimaldo entgehen, der dem BVB Berichten zufolge angeboten worden sein soll. Er ging schließlich zu Leverkusen und wurde dort zu einem der Shootingstars der Saison. Bensebaini kommt beim BVB hingegen kaum auf Einsatzzeiten. Da die Verpflichtung des Algeriers allerdings ablösefrei erfolgte, tut sie dem BVB zumindest finanziell nicht weh.

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Wirklich viel anzukreiden hat sich Kehl also nicht – zumindest nicht allein. Bei vielen Transfers nahm er Rücksicht auf Terzić und Watzke, verwirklichte zum Teil nicht das, was ihm eigentlich für den Kader vorschwebte. Dass Zweifel an seiner Transferpolitik ihm nun auch noch die Beförderung kosten, dürfte bei dem 44-Jährigen mehr als nur einen faden Beigeschmack hinterlassen. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, soll Kehl von der Entscheidung immerhin schon länger gewusst haben – und tatsächlich anfänglich sehr gefrustet gewesen sein. Mittlerweile habe sich jedoch eine "Jetzt erst recht"-Einstellung eingestellt. Ein Abschied komme für ihn nicht infrage und auch der Verein will seinen bis 2025 laufenden Vertrag dem Bericht zufolge bis 2027 verlängern.

Wie ist die neue Dynamik?

Trotz aller Konflikte: So richtig voneinander lassen können Kehl und der BVB offenbar nicht. Immerhin war Kehl schon als Spieler 13 Jahre lang in Dortmund aktiv, war der Kapitän der letzten Meister-Mannschaften unter Jürgen Klopp. Ähnliche Erfolge will Kehl nun auch wieder als Funktionär mit "seinem" Klub feiern.

Ob das gelingt, wird wohl auch im Wesentlichen davon abhängen, ob die Dynamik zwischen dem neuen Geschäftsführer Ricken, Kehl und Terzić besser ist als die des bisherigen Trios. Zudem muss sich auch der neu verpflichtete Technische Direktor Sven Mislintat noch in das Puzzle einfügen. Gelingt das, dürfte der Frust bei Kehl schon bald vollständig verflogen sein.

Verwendete Quellen
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